Erster Aufruf zur Mobilisierung

zum Treffen der europäischen Wohnungsbau-Minister in Paris
26. bis 28. September 2000

Für viele benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Europa wird das Recht auf Wohnen in einer gesunden Umwelt und zu erträglichen Bedingungen nicht erfüllt. Besonders betroffen sind die Armen, die Arbeitslosen, die Immigranten, die Jungen, die Älteren, Alleinstehende und Alleinerziehende, große Familien, Behinderte, Minderheiten usw.
60 Millionen Menschen leben in Europa unter der Armutsgrenze. Zwischen 15 und 18 Millionen Menschen leben in Substandard-Wohnungen oder Slums. Pro Jahr kommt es zu mehreren hundert Millionen Wohnungsräumungen oder Kündigungen. Gleichzeitig stehen mehrere Millionen Wohnungen leer. Inzwischen werden die öffentlichen Haushaltstitel für den Wohnungsbau und die Wohnungsversorgung ständig gekürzt.
Die europäischen Regierungen haben die Deregulierung der Märkte gefördert und die Politik des Mieterschutzes und der Hilfen für ärmere Bevölkerungsgruppen aufgegeben.
- Die Mieter werden den Gesetzen des Marktes unterworfen (durch Freigabe der Mieten und die Verringerung des Mietwohnungsbestands)
- Die rassistische und soziale Diskriminierung verschärft sich und begünstigt die Bildung oder Verhärtung von Ghettos und Slums in den großen Städten während sich die Situation in den kleineren Städten entspannt.
- Den Nichtregierungsorganisationen wird das Management der Wohnungskrisen überlassen, ohne dass sie dafür über angemessene Mittel (finanziell und personell) verfügen.
Diese Politik widerspricht den rechtlichen Verpflichtungen und Vereinbarungen der europäischen Staaten, die die UN-Erklärung für soziale und wirtschaftliche Rechte und andere Vereinbarungen mit Bezug zur Wohnungsversorgung und zum Aufbau eines sozialen Europas.
Der Widerstand gegen die wirtschaftsliberale Globalisierung beginnt erste Früchte zu tragen (Seattle, Millau).
In vielen Ländern gibt es Basis-Organisationen, die gegen Zwangsräumungen kämpfen, Vorschläge für ein soziales Management der Stadtteilentwicklung erarbeiten, leere Wohnungen oder Häuser wiederaneignen, den Bau oder die Sanierung von Wohnraum in Selbsthilfe betreiben oder Mieterhöhungen bekämpfen.
Diese Widerstandsbewegungen agieren bislang auf einer lokalen oder nationalen Ebene. Die städtischen Räume werden jedoch immer mehr durch die europäische und weltweite Liberalisierung der Märkte beeinflusst. Diese Entwicklung ist Anlass für die Verstärkung der internationalen Mobilisierung auf diesem Handlungsfeld.
Vom 26. bis 28. September werden die europäischen Wohnungsbauminister - zehn Jahre nach ihrem ersten Treffen - wieder eine Zusammenkunft in Paris haben. Die sozialen Bewegungen im Wohnbereich werden auch da sein!
Es ist an der Zeit, dass wir den Mund aufmachen und das Recht auf ein anständiges Leben in allen Stadtvierteln, auch den Stadtzentren fordern und damit eine neue Politik der lokalen und zentralen Regierungen.
Wir rufen zu einer europäischen Mobilisierung auf. Von den Wohnungsbauminister fordern wir die die Umsetzung folgender Ziele auf nationaler und europäischer Ebene:
- Das Recht auf Wohnen muss in die Europäische Charta aufgenommen und zu einem konsequenten Kriterium werden.
- Es müssen Gesetze geschaffen oder gestärkt werden, die Wohnungsräumungen ohne bedarfsgerechte Ersatzwohnraum verhindern. Die Sicherheit der Mieter und der Kündigungsschutz müssen verbessert werden.
- Eine bedarfsgerechte Wohnungsversorgung für alle sozialen Gruppen.
- Durch Besteuerung und Beschlagnahme soll leerstehender Wohnraum für die Versorgung armer Bevölkerungsgruppen mobilisiert werden
- In Stadtzentren in der Krise soll sozialer Mietwohnungsbau betrieben werden.
- Innovative Konzepte von Bewohnerbewegungen für die städtische (Selbst)verwaltung sollen gefördert werden.

Paris ist ein Schritt auf dem Weg zur Bildung eines europäischen und globalen Netzwerks der sozialen städtischen Kämpfe. Weitere Schritte sind die Weltversammlung der Bewohnerbewegungen in Mexiko vom a. bis 4 Oktober und die UN-Konferenz Habitat+5 im Mai 2001 in New York.

DAL - Frankreich, Unione Inquilini - Italien

 

Ein verbesserter Aufruf und Details zum Treffen in Paris sind in Vorbereitung.


MieterInnenverein Witten

Knut Unger 2000