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PRESSE

05.06.2001

Istanbul+5


UN-Sondergeneralversammlung Istanbul+5

Schlechte Startbedingungen

Nichtregierungs-Organisationen werfen Bundesregierung Versäumnisse in Deutschland vor

1996 hatten sich bei der UN-Weltsiedlungskonferenz in Istanbul die Staaten der Erde zu einer umfassenden Überwindung der Wohnungsnot sowie einer sozialen und nachhaltigen Stadtentwicklung verpflichtet. Vom 6.-8. Juni 2001 wird die UN-Sondergeneralversammlung "Istanbul+5" in New York die Umsetzung der 76 Selbstverpflichtungen überprüfen. Im Vorfeld kritisiert die "Habitat Initiative Deutschland" - eine Arbeitsgruppe im bundesweiten Netzwerk "Forum Umwelt und Entwicklung"- die schlechte Umsetzung der Habitat-Verpflichtungen auch in Deutschland.

Bereits bei den internationalen Vorbereitungskonferenzen ("Prepcoms") zur UN-Versammlung sei es zu empfindlichen Rückschlägen gekommen, berichtet die Initiative. "Vor allem die neue US-Regierung will die Einbeziehung der Nichtregierungsorganisationen schwächen. Es gibt kaum Fortschritte bei der Entwicklung konkreter Ziele für die Überwindung der globalen Wohnungsnöte. Zahlreiche Regierungen nehmen die Habitat-Agenda nicht ernst," erklärt AG-Koordinator Knut Unger.

Dabei bilde Deutschland leider keine Ausnahme: "Zwar nimmt die Bundesregierung auf der internationalen Ebene im Rahmen der Europäischen Union eine verlässlich progressive Haltung ein. Ausgerechnet die Umsetzung im eigenen Land aber hat das Bauministerium weitgehend vernachlässigt." So habe die Bundesregierung ihre Selbstverpflichtung, die Umsetzung der Habitat-Ziele unter Einbeziehung der Bürgergruppen und Organisationen zu überprüfen, in keiner Weise erfüllt. Mitglieder der Arbeitsgruppe haben deshalb eine eigene kurze Stellungnahme zur Situation der Wohnraumversorgung und der Stadtentwicklung in Deutschland verfasst, der den Teilnehmern der UN-Konferenz vorgelegt wird.

Nach Einschätzung der AG zeichnet sich in Deutschland eine immer schärfere regionale und soziale Spaltung der Wohnungsmärkte ab. Während im Osten 1 Million Wohnungen leer stünden, schlitterten Wachstumsregionen wie München in eine neue Wohnungsnot. Der Staat habe in den letzten Jahren und Jahrzehnten entscheidende Instrumente aufgegeben, ohne einen adäquaten Ersatz zu finden; bedeutende Teile der ehemals gemeinnützigen Wohnungswirtschaft arbeiteten heute stark profitorientiert; soziale und öffentliche Bindungen gingen mit hohem Tempo verloren. In der Folge komme es zu wachsenden Risiken für die Wohnraumversorgung der unteren Einkommensgruppen. Nach wie vor fehlten in Deutschland einklagbare Mindestanforderungen an die Wohnraumversorgung; Einzelfortschritte bei den sozialen Hilfen für Wohnungslose seien noch keine umfassende Strategie; die Wohnrechte von Flüchtlingen und Migranten/innen würden systematisch verletzt.

Auch auf dem Gebiet der nachhaltigen Stadtentwicklung habe Deutschland trotz vielfältiger Debatten und Modellprojekte keine durchgreifenden Erfolge vorzuweisen. Die Klimaschutzziele im Gebäudebestand würden haushoch verfehlt. Der Staat fördere durch die Eigenheimzulage und andere Anreize die Zersiedlung mit einem jährlichen Volumen in Höhe von 37 Mrd. Mark. Die Folgen seien Umweltzerstörungen, soziale Entmischung und eine ständige Schwächung der existierenden urbanen Strukturen. Dagegen seien Programme wie "Soziale Stadt" nur ein Tropfen auf den heißen Stein; die Erfahrungen in der Quartiersentwicklung seien zudem widersprüchlich und häufig nicht übertragbar. Eine umfassende Strategie zur Stärkung der Bürgerbeteiligung und Bürgermitwirkung sei nicht zu erkennen.

"Auch wenn manche Ziele für die deutschen Verhältnisse ‚übersetzt' werden müssen, stellt die Habitat-Agenda einen guten Orientierungsrahmen für die Diskussion über eine umfassende Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung in Deutschland dar", so AG-Koordinator Knut Unger. "Der Glaube an die allmächtige Steuerungsfähigkeit des Staates ist heute ebenso verfehlt wie die Orientierung am liberalen Markt. Die entscheidende Frage ist, wie ernsthaft die Ziele einer sozialen und ökologischen Siedlungsentwicklung umgesetzt und überprüft werden."

Die AG erwartet von der Bundesregierung eine ernsthafte, organisierte Debatte zur Habitat-Umsetzung in Deutschland. "Die politischen Entscheidungen über die Zukunft unserer Städte dürfen nicht allein das Thema von Expertenzirkeln bleiben."

Knut Unger 


Initiative Habitat in NRW

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(c)  Knut Unger 2001. mailto:unger@mvwit.de