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PRESSE

08.06.2001

Istanbul+5


UN-Sondergeneralversammlung Istanbul+5

Papp-Hütte aus UN-Dokumenten errichtet

Proteste gegen Rückschritte bei Habitat-Konferenz

Am Freitag, 8. Juni, reagierten VertreterInnen internationaler Nichtregierungsorganisationen mit Protesten auf die empfindlichen Rückschritte bei der UN-Sondergeneralversammlung Istanbul +5 in New York. Vor dem Tor des UN-Geländes errichteten die Demonstranten ein provisorisches Papp-Haus, das aus den Papiermassen der Habitat-Dokumente hergestellt war. "Hört auf zu reden, beginnt mit der Umsetzung der Habitat-Agenda" forderten die Demonstranten, bevor die Polizei die Versammlung auflöste.

Die Aktion richtete sich vor allem dagegen, dass das 1996 bei der Weltsiedlungs-Konferenz in Istanbul (Habitat II) formulierte Recht auf Wohnen in der Abschlusserklärung der Folgekonferenz nicht mehr Erwähnung findet. Die Organisationen kritisierten aber auch die in vielen Ländern völlig unzureichende Umsetzung der 1996 eingegangenen Verpflichtungen und brachten ihren Unmut über den weitgehenden Ausschluss der Zivilgesellschaft von der Konferenz zum Ausdruck.

"Ich fühle mich hier wie eine Ratte im Käfig", sagte Cesare Ottolini von der Habitat International Coalition. "Wir dürfen nur hier und da mal ein Komma ändern und höchstens mal zwei Minuten reden." Bereits im Vorfeld dieser Konferenz zur Überprüfung der Habitat-Umsetzung hatten die USA im Bündnis mit anderen Ländern dafür gesorgt, dass die Zivilgesellschaft, und auch die Kommunen, wesentlich weniger beteiligt wurden als noch bei der hoffnungsvollen Mammut-Veranstaltung in Istanbul vor fünf Jahren. Viele Nichtregierungs- und Basisorganisationen blieben daraufhin von vornherein der Versammlung fern und orientieren sich heute stärker an eigenständigen Vernetzungen und Aktionen im Rahmen der Anti-Globalisierungskampagnen.

NROs sprechen von "Globalisierung der Wohnungslosigkeit"

In einer Pressekonferenz am Donnerstag kritisierte die Habitat International Coalition Verfahren und Inhalte der UNGASS scharf. Weltweit habe sich seit 1996 die Situation der Wohnungslosen nicht verbessert, heißt es in einer Presseerklärung. Und weiter: "Wir sind Zeuge einer ‚Globalisierung der Wohnungslosigkeit'. Etwa 1,6 Milliarden Menschen leben unter schlechten Wohnbedingungen, etwa 70% davon sind weiblich, etwa 30 bis 70 Millionen Kinder leben auf der Strasse. Regierungen geben zunehmend ihre Verantwortung zur Umsetzung des Menschenrechts auf Wohnen an private Akteure und externe Institutionen ab. (...)

Der Ausschluss der NGOs von den Verhandlungen dieser Konferenz bedeutet einen gefährlichen Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen und widerspricht den Zielen und dem Geist der UN sowie der nachdrücklichen Förderung von Partnerschaft in der Arbeit der UN durch den UN Generalsekretär. Die Aufgabe von relevanten Menschenrechtsprinzipien und Verpflichtungen, die in der Habitat Agenda festgeschrieben wurden, stellt einen ernsthaften Rückschritt hinter das in Istanbul Erreichte dar. Dieser regressive Trend nach Istanbul wird von einigen wenigen Staaten vorangetrieben. Unglücklicherweise hat der Rest der Staaten entgegen dem Geist internationaler Zusammenarbeit und progressiver Verwirklichung der Menschenrechte einem neuen niedrigeren Standard auf dem untersten gemeinsamen Nenner zugestimmt. (...)

Der Ausschluss der NGOs und die Abschwächung der Aussagen im Haupt-Konferenzdokument stellen insgesamt die Legitimität des Habitat II Prozesses und der gegenwärtigen Sitzung in Frage. (...)

Die New York Erklärung drückt - so wie sie jetzt formuliert ist - die Unfähigkeit aus, den hohen Ansprüchen zu genügen, die wir uns gemeinsam mit den Regierungen vor fünf Jahren gesetzt haben. Die dringende Forderung ist nicht die Erarbeitung eines neuen und schwächeren UN Dokuments, sondern die die Verstärkung des notwendigen politischen Willens, die bestehenden Ziele umzusetzen, darunter das Recht auf angemessenen Wohnraum für alle."

Obdachlosigkeit in New York

Direkt neben dem UNO-Gebäude sehen die Konferenzteilnehmer täglich die Leute auf der Strasse liegen, einige haben sich Kartonunterstände am Straßenrand gebaut. In New York werden heute Nacht nach Angaben von Patrick Markee, des Sprechers der "Coalition for the Homeless", etwa 27.000 Personen eine Obdachlosenunterkunft aufsuchen, das ist die höchste Zahl seit 1988. Allein seit 1998 ist die Zahl der in Notunterkünften Untergebrachten von 21.000 auf heute 27.000 gestiegen. Von diesen 27.000 wiederum sind 11.000 Straßenkids. Das Angebot an Notunterkünften in New York ist überdurchschnittlich, die Situation der Unterbringung ist hier besser als anderswo in den USA, weil die Stadt nach einem juristischen Kampf der Obdach-Organisationen seit den 80er Jahren ein Grundrecht auf Unterbringung in Notunterkünften ("emergency right to shelter") anerkennen musste. Buergermeister Giuliani will das seit 1998 ändern, konnte bisher aber juristisch nichts ausrichten.

Klaus Teschner (z.Zt. New York) / Knut Unger


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