Istanbul+5 Bericht 

Vorläufige deutsche Arbeitsfassung

2.5 Perspektiven


2.5. Wechsel der Perspektiven?

Über viele Jahrzehnte hat ein Rahmen starker rechtlicher und institutioneller Regulationen, staatlicher Interventionen und öffentlicher Förderungen die Wohnraummärkte in West-Deutschland gestaltet und beeinflusst. Während der Periode des industriellen Wachstums war dieser Rahmen integrierter Teil eines grundlegenden sozialen Kompromisses, der es den Märkten ermöglichte, die wesentlichen Wohnbedürfnisse der Massen ebenso zu befriedigen wie die wirtschaftliche Interessen der Eigner, die Profiterwartungen der Wachstumsökonomie und die Eigentumsideologie. Ein anhaltendes Ergebnis dieser relativ einzigartigen Strategie ist ein vergleichsweise hoher Anteil  von Mietwohnungen, der sich außerdem im Eigentum einer relativ großen Gruppe privater Vermieter und Gesellschaften befindet. Mit der Krise des industriellen Wachstums und der stärkeren Marktorientierung der Politik wurden diese Regulationen mehr und mehr flexibilisiert. Die Bedeutung des privaten Eigentums ohne staatliche oder soziale Bindungen hat sich umfassend erhöht.    

Dieses Erbe und seine Widersprüche sind in den gegenwärtigen Debatten über einen notwendigen Orientierungswechsel der Wohnraumpolitik immer noch präsent. Es ist offensichtlich, dass der Staat heute nur über begrenzte Ressourcen verfügt, um die Share-Holder-Value-Orientierung und die Globalisierung der Wirtschaft zu gestalten, um auf die wachsende Unterschiedlichkeit der Lebensstile, Haushaltsformen und sozialen Lebensbedingungen zu reagieren oder eine soziale und ökologische Erneuerung der Wohnverhältnisse einzuleiten. Die Spannung zwischen Herausforderungen und Handlungskapazitäten wächst auf einem globalen Niveau. Um sie zu überwinden, wäre ein neuer Konsens erforderlich, denn der alte Wohnraum-Kompromiss ist zerbrochen.

Auf der eher abstrakten Ebene der Zielsetzungen - auch innerhalb der Gesetzgebung - und an "guten Beispielen" können wir Elemente einer möglichen neuen Strategie erkennen, aber es ist noch nicht eindeutig erkennbar ob und wie diese Elemente generell akzeptiert und umgesetzt werden. Es fehlt offensichtlich an einer umfassenden politischen Absicht, rechtzeitig zu reagieren oder soziale und ökologische Prioritäten zu setzen. Interventionen im Wohnungswesen in Deutschland waren immer das Ergebnis heftiger sozialer Auseinandersetzungen. Was zu Zeit am meisten fehlt sind starke soziale Bewegungen für einen neuen Ansatz der Habitat-Politik.

Knut Unger 

 

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