PROJEKTE > Strategietreffen 2001 > Kurzbericht

Strategietreffen 2001: 

Flächenschutz und Innenentwicklung

Kurzbericht 28.11.2001 

 

Ein strategischer Grundkonsens konnte bei dem Strategietreffen der AG Habitat am 23./24.11. in Berlin zwischen den anwesenden VertreterInnen umweltpolitischer, wohnungspolitischer und stadtplanerischer Verbände erzielt werden.

"Soziale Innenentwicklung statt Zersiedlung" lautet die Überschrift der geforderten Doppelstrategie zur Beendigung des Flächenwachstums und zur Stärkung der Städte. Konkret: Die Subventionierung von Zersiedlung und Flächenverbrauch durch Milliarden Steuermittel muss beendet werden. Die steuerlichen, politischen, und finanziellen Instrumente des Bundes sollten sektorübergreifend auf den bedarfsgerechten Ausbau und die Verbesserung der ökologischen und sozialen Qualitäten der bestehenden Siedlungsbereiche konzentriert werden.

Diagnose und allgemeine Zielbestimmung sind sicherlich alles andere als neu. Seit langem wird der Zersiedlungsdruck in Deutschland wegen seiner nachteiligen Folgen für das Verkehrsaufkommen, das Klima, die Infrastrukturkosten und die Schwächung der Kernstädte beklagt. Seit langem werden auch die denkbaren Alternativen diskutiert und erprobt: Nachverdichtung in Baulücken, Reaktivierung industrieller Brachflächen, Nutzungsmischung, ökologische Aufwertung, stärkere Bestandsorientierung im Wohnungsbau.

Allein: Zahlreiche Forschungsaufträge, Modellprojekte, Sonntagsreden und auch Programme wie "Soziale Stadt" oder "Stadtumbau Ost" haben bislang nichts daran geändert, dass die Zersiedlung und Versiegelung von Boden und Landschaft unvermindert anhält, dass die Großstädte ausbluten, dass sich die sozialen Probleme in den benachteiligten Stadtgebieten zuspitzen.

In den letzten Jahren haben die Abwanderungs-Trends in einigen Krisenregionen teilweise dramatische Ausmaße angenommen. Während in den ostdeutschen Ländern 1 Million Wohnungen leer stehen und viele davon - staatlich gefördert mit dem "Stadtumbau Ost" - abgerissen werden sollen, werden in den gleichen Regionen auch weiterhin Eigenheime auf der grünen Wiese geplant. Grundsätzlich nicht viel anders ist es im Ruhrgebiet, wo sich die Kommunen bei sinkenden Bevölkerungszahlen die Bauwilligen mit attraktiven Grundstückangeboten abspenstig machen.

Die Ursachen dieser Entwicklungen sind außerordentlich komplex und nur teilweise politisch beeinflussbar. Zum Beispiel macht es wenig Sinn, über den weitverbreiteten Traum vom Eigentum im Grünen oder den Trend zu immer größerem Wohnflächenkonsum zu lamentieren. Wohnwünsche lassen sich nicht diktieren. Es lassen sich allenfalls nachhaltigere und bedarfsgerechtere Angebote entwickeln.

Neuere Untersuchungen in Großstädten belegen, dass nur ein kleiner Teil der abwanderungswilligen Leute tatsächlich auf das Eigenheim im Umland fixiert ist. Aber sehr viele sind unzufrieden mit der Wohnumfeldqualität in der Stadt, dem mangelnden Grün, der Lärmbelastung und den schlechten Spielmöglichkeiten für Kinder. Um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, suchen sie sich das für sie am ehesten passende und bezahlbare am Markt aus. Das kann eine Mietwohnung in der Nachbarstadt sein, ein Reiheneigenheim am Stadtrand oder ein Eigenheim auf den preisgünstigeren Grundstücken im Umland. Entscheidend für den Zersiedlungsdruck ist dann, dass über die Eigenheimzulage und andere Maßnahmen zweistellige Milliardenbeträge jährlich in die Förderung von Eigentumsmaßnahmen fließen, wovon ein wesentlicher Teil in die Realisierung von Eigenheim-Suburbs fließt, während die Förderung von Investitionen zur Verbesserung der bestehenden Städte und Wohnungen deutlich geringer ausfällt.

Auf den Prüfstand gehören in diesem Zusammenhang natürlich planungsrechtliche Rahmenbedingungen, die im Grunde immer noch auf ein weiteres Siedlungsflächenwachstum nicht aber auf schrumpfende Städte geeicht sind. Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Verbesserung der Regionalplanung. Regional Überangebote bei Gewerbe- und Bauflächen sind nicht gerade ein Anreiz zum Flächensparen.

Ergebnis des Strategietreffens war jedoch, sich zunächst auf die Zersiedlungssubventionen und konkret die Eigenheimzulage zu konzentrieren. Diese sollte durch eine - auf bereits bebaute Bereiche zu beschränkende- Bauinvestitionszulage ersetzt werden. Im Unterschied zur Eigenheimzulage würde diese nicht eine bestimmte Eigentumsform ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Qualitäten fördern, sondern alle Wohnungsbauinvestitionen, gerade auch zur Verbesserung des Bestandes. Art und Umfang der Investitionszulage ließe sich zusätzlich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren.

Sicherlich sind mit diesem Ansatz bei weitem nicht alle Probleme zu lösen. Auf dem Strategietreffen wurde diskutiert, wie eine partizipative Stadtteilentwicklung verbindlich gemacht werden kann. In diesem Zusammenhang will sich die AG Habitat auch in Zukunft mit der Frage der Einbeziehung der MigrantInnen befassen.

Wichtigstes Ergebnis des Treffens ist aber die Idee eines vernetzten politischen Vorgehens zur Eigenheimzulage. Die dazu notwendigen Diskussionen sollen in den nächsten Monaten fortgesetzt werden. Die Rückmeldungen der beteiligten Verbandsvertreter (Mietervereine, BUND, Grüne Liga, SRL) haben die Option für die Entwicklung einer bislang vermissten Kampagnenfähigkeit von NROs zu stadtentwicklungspolitischen Fragen eröffnet.